Wenn man aus dem Trubel der Fußgängerzone tritt und die Wilhelmstraße überquert, öffnet sich vor einem ein großer Park, der Warme Damm. Im Stil englischer Landschaftsgärten schlängeln sich hinter dem hessischen Staatstheater schmale Kieswege zwischen hohen Bäumen und Sträuchern hindurch und umrahmen blühende Rasenflächen. Immer wieder begegnen dem Spaziergänger verschiedene Kunstwerke auf seinem Weg durch den Park. Unter anderem ist an präsenter Stelle an der Ecke Wilhelmstraße und hessisches Staatstheater auch die Bronzeskulptur „Leben“ von Francè Rotar zu sehen. Sie liegt wie eine herabgefallene Kastanie, deren Schale durch den Sturz angeknackst wurde, auf der Wiese.
Die nach einem Gips Modell gegossene Bronzeskulptur ist glattpoliert, doch die schrundig ausgearbeitete Bruchstelle wurde in einem braunen Farbton patiniert. Die kontrastreiche Oberflächenstruktur der Bronze verbildlicht das Aufbrechen und Freilegen der inneren Form als naturgewaltigen und unaufhaltsamen Prozess. Rotar wusste um die Wirkung von gespannten, runden Körpern, die sich immer stärker im Raum ausdehnen wollen. Massige Körper hingegen, wie die dicke Kugelschale, wirken schwer und lastend. In Kombination erzeugen diese Gegensätze eine interessante Spannung. Er selbst beschreibt sein Werk mit den Worten: „Die bronzenen Kugeln veranschaulichen den Prozess von Werden und Vergehen alles Lebendigen.“ Die Skulptur ist nach Rotar außerdem ein Zeichen für die 1977 gegründete Städtepartnerschaft zwischen Ljubljana und Wiesbaden. Die Idee der Partnerschaft kam Aufgrund einer Einladung der Stadt Ljubljana an den damaligen
Wiesbadener Oberbürgermeisters Rudi Schmitt zur internationalen Weinmesse im August
1968 zustande.
Die im Durchmesser ca. 1,80 m große Bronzeskulptur „Leben“ besteht aus einer 27 cm dicken, in zwei Teile aufgespaltenen Kugelschale, die eine etwas kleinere Kugel enthält und auf einem gepflasterten Sockel steht. Sie wurde 1981 vom slowenischen Bildhauer Francè Rotar (1933-2001) in Verona angefertigt und im gleichen Jahr von der Stadt Wiesbaden für die Umgestaltung des Warmen Damms als Skulpturenpark aufgestellt. Im ursprünglichen Zustand wurde die Kugel von unterirdischen Stützen getragen, um den Anschein zu erwecken, dass sie gerade auf dem Boden aufliege. 1994 wurden diese Stützen porös und mussten mit einem flachen Sockel aus Pflastersteinen ummauert werden. In diesem Zustand befindet sich das Werk bis heute.
Text: Alica Bergmann